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FrolleinDoktor meint

FrolleinDoktors Gesundheitstipp

FrolleinDoktor rüscht sich auf

Sie sind hier: FrolleinDoktor - das Blog

Anregende Lektüre ohne Risiken, aber mit Nebenwirkungen. Rezeptfrei in Ihrem Internet. Machense sich doch schon mal frei.

Das ist die Fortsetzung meines Blogs, das ich Anfang 2020 mit Beginn der Corona-Krise weitgehend eingestellt habe – vor allem aus technischen Gründen, die Software lief nicht mehr zuverlässig. Seit Frühjahr 2023 hat es seinen Schlaf endlich beendet und erwacht hier zu neuer Schönheit. Die einzelnen Rubriken sind noch nicht alle wieder befüllt, das wird sich aber mit der Zeit ändern. Kommentare sind auf dieser Seite nicht möglich – wer etwas anmerken will, schickt mir einfach eine E-Mail. Respektvolle Mails beantworte ich gerne – ich achte andere Meinungen und setze mich gern damit auseinander. Pöbelige Schmährufe wandern jedoch sofort in den Papierkorb. Der Name "FrolleinDoktor" ist ein satirisch gemeinter Spitzname und stellt keinen Doktortitel oder medizinischen Status dar. 

 

Der Tausendsassa unter den Brotbackbüchern

Lutz Geißler ist allen Hobbybäckern bestens bekannt: Er gilt als der "Brotpapst" schlechthin, sein "Plötzblog" gehört zu den ergiebigsten Quellen für Brotrezepte und überhaupt für Informationen rund um Brot und Brötchen aller Couleur. Vor kurzem hat Lutz, dessen Bücher allesamt Bestseller sind, nun ein geniales neues Werk publiziert: "Die neue Brotbackformel". Es ist eine Art Tausendsassa unter den Brotbackbüchern, denn es passt sich den jeweiligen Möglichkeiten auf ideale Weise an. Denn wer kennt sie nicht, die Situation, dass man mit Schrecken feststellt: Kein Brot mehr im Haus. Oder: Das, was noch da ist, ist verschimmelt. Für solche Fälle weiß Lutz Geißler Rat: Aus einem Grundteig - wahlweise mit hellem, dunklem Weizenmehl, Dinkel- oder Vollkornmehl angesetzt - lassen sich 50 verschiedene Brotsorten backen. Da ist wirklich für jede Gelegenheit etwas dabei – leicht und luftig oder kräftig-herzhaft, süß, neutral oder salzig. 

Da - ausnahmsweise - nicht mit Sauerteig gearbeitet wird (was sonst Lutz' Leidenschaft ist), eignet sich dieses Buch gerade für Neueinsteiger, die noch nicht viel Erfahrung mit dem Brotbacken haben. Mehl und Hefe (ob getrocknet oder frisch) sollte man ohnehin immer im Haus haben. Und selbst gebackenes Brot schmeckt einfach besser als das industriell hergestellte (Bäcker, die ihr Brot handwerklich sauber noch selbst backen, kann man in Deutschland ohnehin mit der Lupe suchen). 

Das Buch ist modular aufgebaut, so dass man auf der Basis eines Grundteiges je nach Lust und Laune und zeitlichen Möglichkeiten viele verschiedene Brote und Brötchen bis hin zu Süßigkeiten und Flammkuchen backen kann. Die Schritt-für-Schritt-Anleitungen mit vielen Fotos machen es auch Unkundigen einfach, ein gutes Ergebnis hinzubekommen. Schon beim Durchblättern bekommt man sofort Lust, eines der vielen Rezepte nachzubacken. Dieses Buch sollte in keiner Küche fehlen. 

Lutz Geißler: Die neue Brotbackformel
288 Seiten, Hardcover, 34 Euro
direkt bestellen beim Becker, Joest, Volk Verlag

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Geschichte einer langen Liebe

Das Plakat zum Film
Eva und Dieter 1953 (c) Foto Eva und Dieter Simon
Eva und Dieter 1954, (c) Foto Eva und Dieter Simon
Eva und Dieter auf der Terrasse ihres Hauses, (c) Foto Julia Sellmann
(c) Foto Julia Sellmann
Die Regisseurin Pia Lenz, (c) Foto Henning Wirtz

Ein bewegender Film kommt am 23. November in die Kinos: "Für immer". Es ist die Dokumentation der letzten Jahre eines betagten Ehepaars, beide sind bereits über 80 Jahre alt. Von 2018 bis 2023 begleitete Pia Lenz Eva und Dieter Simon, die im Süden Hamburgs am Rande der Großstadt in einem idyllisch mitten im Wald gelegenen Haus leben. Sie meldeten sich auf eine Zeitungsannonce hin und waren bereit, sich von Pia Lenz über fünf Jahre hinweg filmen zu lassen. Es ist die berührende Geschichte einer langen Liebe, die durch viele Höhen und Tiefen gegangen ist, getragen von wechselseitigem Verständnis, aber auch immer wieder auf die Probe gestellt von zwei durchaus selbstbewussten Individualitäten. 

Im Winter 1952 tanzen Eva und Dieter das erste Mal miteinander, schüchtern, vorsichtig. Sie heiraten, bauen ein Haus, bekommen drei Kinder, verkraften gemeinsam den Unfalltod der zweiten Tochter, streiten sich und vertragen sich wieder, gehen fremd und verzeihen einander. So sind sie gemeinsam alt geworden. Eva ist inzwischen gebrechlich geworden, eine Lungenkrankheit und andere Probleme machen ihr zu schaffen. Ihre Kräfte schwinden zusehends, und Dieter kann nichts dagegen machen, nur unterstützen, helfen, sich kümmern. Und zusehen, wie seine Partnerin langsam immer schwächer wird, bis sie 2022 stirbt – zu Hause. Er bleibt allein zurück. 

Wie Pia Lenz diese Partnerschaft zeichnet, in ihren verschiedenen Etappen und Schattierungen, das ist sehr besonders – vor allem ist es nie voyeuristisch. Ungemein einfühlsam nähert sie sich diesen beiden alten Menschen, ihren Schrullen und Stärken, ihrer Lebensgeschichte, die durch Tagebucheintragungen auch noch Jahrzehnte nach dem jeweiligen Geschehen lebendig wird. Eva ist die Gesprächigere von beiden – sie reflektiert die gemeinsamen Jahre mit aller Ehrlichkeit und Offenheit, derer sie fähig ist, und sie lässt auch die eigenen Fehler nicht aus, die Unzufriedenheit mit der Rolle als Hausfrau und Mutter, aus der sie verschiedentlich ausbricht. Dieter, Architekt von Beruf, vergräbt sich immer wieder in seine handwerklichen Leidenschaften, werkelt am Haus und im Garten, baut sich und der Familie ein Nest, das zum Rückzugsort wird gerade in diesem hohen Alter. 

"Für immer" ist ein Film, den sich jedes Paar anschauen sollte – es lässt sich so viel daraus lernen. Vor allem dies: Dass eine große Liebe durch alle Täler und Schicksalsschläge trägt, dass diese Liebe aber auch immer wieder gehegt und gepflegt werden will, wenn sie diese dauerhafte Tiefe erreichen soll. 

 

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Wichtige Vorkämpferinnen

Wenn es um die Entstehungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland geht, werden meistens nur Männernamen genannt: Konrad Adenauer als erster Bundeskanzler, Theodor Heuss als erster Bundespräsident sowie die verschiedenen "Väter" des neugeschaffenen Grundgesetzes. Dass sowohl an dieser Gesetzgebung als auch bei der Entwicklung der Republik in hohem Maße auch Frauen beteiligt waren, wird nicht so oft ins Bewusstsein gerückt. Diese Lücke schließt jetzt ein Buch, das allerdings keine Frau, sondern ein Mann erstellt hat: "Die Pionierinnen" von Rainer Hank.

Der 1953 geborene Wirtschaftsjournalist, der von 2001 bis 2018 das Wirtschafts- und Finanzressort der FAZ geleitet hat und heute für verschiedene Medien tätig ist, widmet sich dabei vor allem den Journalistinnen, die in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg den Blick auf die Welt geprägt haben: die langjährige FAZ-Redakteurin Helene Rahms (1918 – 1999); Marion Gräfin Dönhoff (1909 – 2002), die legendäre Chefredakteurin und spätere Herausgeberin der ZEIT, die Rainer Hank mit kritischer Distanz beschreibt; Clara Menck (1901 – 1983), Kulturjournalistin; Margret Boveri (1900 – 1975), die als Korresponentin durch die Welt reiste und sich gegen die westliche Orientierung in Nachkriegsdeutschland stemmte; Hilde Spiel (1911 – 1990); Elisabeth Noelle-Neumann (1916 – 2010), die das bekannte Meinungsforschungsinstitut gründete und aufbaute; Inge Deutschkron (1922 – 2022), die als Jüdin in der Illegalität das 3. Reich überlebte und später Korrespondentin der israelischen Zeitung "Ma'ariv" war; Julia Dingwort-Nusseck (geb. 1921, zu ihr gibt es ein interessantes Portrait im WDR) und Fides Krause-Bewer (1919 – 2018), beide Pionierinnen des Wirtschaftsjournalismus im Fernsehen; Maria Frisé (1926 – 2022), die sich im männerdominierten Feuilleton der FAZ durchkämpfen musste und für den Autor seine "journalistische Lehrerin" war, sie war es, die den Anstoß zu diesem Buch gab; Sybil Gräfin Schönfeldt (1927 – 2022), die mit ihren klugen und geistreichen Benimm- und Kochbüchern sowie ihren Kalendern eine neue Qualität in die Frauenmagazine getragen hat, die ebenso leichtfüßig wie tiefgründig war (was nur ein scheinbarer Gegensatz ist); Christa Meves (geb. 1925), die wegen ihrer konservativen Kindererziehungsansichten oft als Reaktioinärin verpönte Autorin, die mit untrüglicher Sicherheit die Finger in viele Wunden legte; und natürlich Alice Schwarzer (geb. 1942), die Feministin, die die Frauenbewegung der 1970er und 80er Jahre angeschoben und geprägt hat. 

Viele andere bleiben unerwähnt - sowohl aus Platzgründen wie auch mangels Unterlagen: Ursula von Kardorff, Isabel Mühlfenzl, Franca Magnani, Wibke Bruhns, Carmen Thomas, Elly Staegmeyr, Hannelore Krollpfeiffer, Ulrike Meinhof, um nur einige zu nennen. Nur von wenigen der portraitierten Frauen liegen Biographien vor – viele sind noch ungeschrieben, und viele andere, genauso wichtige Journalistinnen und (Chef)Redakteurinnen blieben unerwähnt (darunter auch die ersten Chefinnen der Frauenzeitschriften "Constanze" und "Brigitte", die noch bis zu Beginn dieses Jahrhunderts mit ihren hohen Auflagen bei Frauen meinungsbildend waren). Hank widmet sich vor allem denjenigen, die die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt haben, mithin also zwischen 1900 und 1935 geboren wurden (nur Alice Schwarzer ist jünger). Er stützt sich dabei sowohl auf das Archiv der Publikationen, für die die Journalistinnen gearbeitet haben, als auch auf Unterlagen aus dem Literaturarchiv in Marbach sowie auf Gespräche mit Angehörigen. 

Es sind Lebensgeschichten von Frauen, die unzählige Widerstände überwinden und sich in für sie völlig ungewohnten Umständen bewähren mussten. Frauen, die – meist noch nach alter Sitte als schmückendes Beiwerk und Steigbügelhalterin für einen Mann erzogen – auf sich selbst und ihre eigene Tatkraft und Phantasie angewiesen waren. Die gegen Vorurteile ankämpfen und mindestens doppelt so gut sein mussten wie Männer, um überhaupt bestehen zu können. Die nicht Hausfrau und Mutter sein, sondern die Gesellschaft mit beeinflussen und formen wollten.

Ihr Anteil an der journalistischen Landschaft im Nachkriegsdeutschland ist kaum bekannt und wird auch an den Journalistenschulen – soweit ich weiß – nicht gelehrt. Dabei stehen wir alle, die wir in den 1980er Jahren und später unsere berufliche Karriere gestartet haben, auf den Schultern dieser Frauen. Es ist Rainer Hanks großes Verdienst, uns das mit diesem Buch endlich ins Bewusstsein gerückt zu haben. "Die Pionierinnen" ist ein Buch, das alle gelesen haben sollten, die im Journalismus heute tätig sind. Wirklich alle. Auch die Männer. Gerade diese. 

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Beklemmender Rückblick

Das Plakat zum Film
Alexander Kluge bei den Dreharbeiten
Alexandra Kluge als Anita in "Abschied von gestern"
Alexandra Kluge als Anita in "Abschied von gestern"

Schon seit Mitte Oktober ist ein Film im Kino, der einen beklemmenden Rückblick in das Deutschland (Ost wie West) der 1960er Jahre darstellt: "Abschied von gestern" von Alexander Kluge aus 1966. Der Inhalt ist rasch umrissen: Eine junge Frau (gespielt von Alexandra Kluge, der Schwester des Regisseurs), als Kind jüdischer Eltern 1937 in Leipzig geboren und dort lebend, flieht in den Westen, weil sie sich dort ein freieres Leben erhofft. Aber rasch gerät sie mit der spießigen, kleinbürgerlichen Situation in Konflikt, beginnt zu klauen, wird erwischt und verurteilt. Aus dem Knast entlassen, versucht sie, sich neu und besser zu orientieren. Als Vertreterin einer Plattenfirma schwatzt sie Kunden überflüssiges Zeug auf, fälscht Aufträge, lässt sich auf eine Liebschaft mit ihrem verheirateten Chef ein, lebt über ihre Verhältnisse. Und natürlich kommt es, wie es kommen muss: Der Chef zeigt sie an, wieder muss sie eine Zeitlang ins Gefängnis. Danach beginnt sie ein Studium, stürzt sich in eine Verbindung mit einem verheirateten Beamten. Und natürlich findet sie auch da nicht, was sie sucht. Und so kann der Abschied von gestern, von der Vergangenheit, nicht das werden, was er sein soll: ein Neubeginn, eine Zukunft. 

Als der Film 1966 erstmals in die Kinos kam, grenzte das schon fast an einen Skandal – deckte er doch schonungslos all das verkrampfte, verspießerte Getue auf, das die Gesellschaft seinerzeit dominierte. Man kann sich das heute kaum noch vorstellen, wie eng der Horizont war, in dem sich das Leben abspielte. Kein Wunder, dass er als Klassiker des "Neuen Deutschen Films" gilt und bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig 1966 den Silbernen Löwen gewann sowie in der Folge zahlreiche weitere Auszeichnungen. 

Wer verstehen möchte, warum die Jugend 1968 die großen Proteste lostrat, wer eine Ahnung davon bekommen will, wie sich der Muff von 1000 Jahren nicht nur unter den Talaren zeigte, sondern gleichermaßen in jedem deutschen Wohnzimmer, in jeder deutschen Familie, der schaue sich dringend diesen Film an. Er ist ein zeitloses Dokument einer unschönen Zeit, in der die früheren Nazis – von der Öffentlichkeit weitgehend ignoriert – in alten Pfründen des gesellschaftichen Lebens fröhliche Urständ' feierten. 

 

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Ein meisterliches Gesamtkunstwerk

Blick in die Küche
Von der Empore kann man dem Küchenchef bei der Arbeit zuschauen.
Appetithappen
Appetithappen an der Showbar
Quarkbutter
Die Quarkbutter mit Kräuter- und Chiliöl im Motto der Saison – sie wird zusammen mit Sauerteigbrot gereicht.
Süppchen
Sardellen
Käsetoast
Der legendäre Imbusch'sche Käsetoast auf geröstetem Brot mit altem Deichkäse und gehobeltem Champignon darf bei keinem Menü fehlen.
Liebesknochen
Nicht minder legendär ist der "Liebesknochen" mit Kaviar und Rindermark.
Rote Bete
Rote Bete auf sehr spezielle Art.
Kaisergranat
Das Kaisergranat war Bestandteil der Saison "Wasser & Salz" im Sommer 2023.
Nachtisch
Eine sehr besondere Dessertkomposition.
Digestif
"Der Rausch gehört zum Leben dazu" - eines der Motti des 100|200. Hier bildet ein exquisiter Liebstöckl-Brand als Digestif den Abschluss eines opulenten Mahls.

Meisterköchen und -köchinnen auf die Finger zu gucken, dabeizusein, wenn sie Köstlichkeiten zaubern, die alle Sinne erfreuen, das fand ich, die selbst gerne kocht und lukullischen Genüssen zugetan ist, schon immer höchst reizvoll. Aber die meisten Küchenchefs lassen das nicht zu, und selbst in den in Mode gekommenen Küchen hinter Glas bekommt man von dem Treiben am Herd kaum etwas mit. 

Im 100|200, mitten im ehemaligen Hamburger Freihafen, zwischen Hafenbecken, Elbbrücken und dem gerade entstehenden Elbtower (eine Art Wolkenkratzer, über dessen Existenzberechtigung man sehr geteilter Meinung sein kann), ist das anders. Dort sitzt man mitten in der Küche und kann den Köchen ungeniert auf die Finger gucken, während sie die erlesensten Köstlichkeiten zubereiten. Im Zentrum des Lofts in einem früheren Backstein-Lagerhaus, mitten in industrieller Hafeneinöde (die aber nicht mehr lange eine solche bleiben wird, denn die Stadt breitet sich zügig auf dem früher so rauhen Gelände aus), wo man nie ein Restaurant vermuten würde, steht ein wuchtiger Molteni-Herd, bei dem legendären Küchenhersteller in Italien nach eigenen Vorstellungen für Küchenchef Thomas Imbusch höchstpersönlich zusammengebaut. Gemeinsam mit seiner Frau Sophie Lehmann, die als Sommelière zuständig ist für die das Menü begleitenden Weine, aber ebenso für den "rauschfreien Geleitzug", wie die alkoholfreie Variante genannt wird, betreibt er das im September 2018 eröffnete Restaurant. Anfangs nur abends geöffnet, bietet es seit kurzem freitags und samstags auch mittags ein Menu an, das seinesgleichen sucht. "In der Einfachheit steckt die Komplexität" lautet das Motto, unter dem das ganze Unternehmen steht. Das gilt auch für die Einrichtung und die Ausstattung: massive Holzbretter tragen das feine Porzellan, das gehämmerte Silberbesteck, die dünnwandigen Gläser. 

Dabei mussten die jungen Unternehmer ausgerechnet zu Beginn schwierige Zeiten durchstehen – die Lockdowns der Corona-Zeit waren nicht das, was man sich in der Aufbauphase wünscht, gerade mal zwei Jahre nach dem Start. Kreativität war gefordert, und Sophie Lehmann und Thomas Imbusch machten aus der Not eine Tugend: Sie kreierten eine "Grundkiste", bestehend aus verschiedenen Gerichten und Zutaten - z. B. Rindergulasch, Hamburger Aalsuppe, Sauerteigbrot, geräucherte Quarkbutter, eingelegtes Gemüse, Forellencreme und vielen anderen Köstlichkeiten. Sie konnte unter Einhaltung der strengen Abstandsregeln abgeholt werden oder wurde versandt. Damit konnten sie zum einen sich selbst über die Zeit retten, vor allem aber ihre Lieferanten unterstützen, die sonst auf ihren Erzeugnissen sitzengeblieben wären. 

Und weil Thomas Imbusch und Sophie Lehmann nicht zufrieden waren mit den Ausbildungsstandards, die Köche normalerweise  durchlaufen, gründeten sie kurzerhand die "Brandherd Esskultur Akademie". Dort reifen über drei Jahre hinweg junge Menschen heran, die sich mit Haut und Haar einer besonderen Gastgeberkultur in der Gastronomie verschreiben. Sie durchlaufen alle Stationen und können dabei ihren Fähigkeiten entsprechend herausfinden, ob sie später lieber in der Küche stehen oder im Service arbeiten, der ebenfalls ganzheitlich verstanden wird – als Dienstleistung am Gast im besten Sinne. 

Von Anfang an haben Imbusch und Lehmann das gängige Restaurantkonzept gegen den Strich gebürstet, indem sie Reservierungen nur über ein Buchungssystem gegen Vorkasse entgegennehmen. Wer gebucht hat und nicht erscheint, bezahlt die reservierten Menüs in voller Höhe – der Betrag wurde ja schon mit der Reservierung von der Kreditkarte abgebucht. Dafür wurden sie schon x-mal zu Grabe getragen. Nie funktioniere das, hieß es oft, damit würden sie höchstens drei Monate überleben. Sie straften alle Unkenrufer Lügen. Denn genau diese konsequente Art, die gefürchteten "no-shows" zu vermeiden, hat sie gerettet. Anders, so scheint es, kann man in der Spitzengastronomie kaum noch bestehen. Schließlich gehen die Betreiber mit ihren hochwertigen Lebensmitteln in Vorleistung – da kommen schnell fünfstellige Beträge zusammen. "No shows" kann man sich da einfach nicht leisten. Und wer wirklich triftige Gründe hat, den gebuchten Termin nicht wahrnehmen zu können, setzt sich einfach rechtzeitig mit Sophie Lehmann in Verbindung – bisher wurde dann immer noch eine passende Lösung für das Problem gefunden.

Das 100|200 entwickelte sich rasch zur angesagten Adresse für alle, die beim Essen Wert auf das Besondere legen und sich gerne überraschen lassen. Sie geben Sophie Lehmann und Thomas Imbusch Carte Blanche für das vielgängige Menü, dessen Zusammensetzung nicht verändert werden kann. Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Aber gerade darin liegt der Reiz – hier hat man nicht die Qual der Wahl, hier kann man sich einfach zurücklehnen und sich dem Genuss hingeben, einer Exstase sinnlicher Geschmackserlebnisse. Kein Wunder, dass die Tester des Guide Michelin schnell gemerkt haben, dass hier wahre Meister am Werk sind – und so erhielt das 100|200 schon 2021 einen Stern, und 2022 gleich den zweiten hinterher. Bereits 2020 wurde es mit dem grünen Stern für Nachhaltigkeit ausgezeichnet, mit vier Hauben bei Gault&Millau und laut „50best Discovery“ gehört es zu den spannendsten Restaurants weltweit. 

Viermal im Jahr wird das Menü völlig neu komponiert – den Jahreszeiten entsprechend und dem, was Land, Seen und Meer jeweils in besonderer Qualität zu bieten haben: zum Beispiel "Feld & Flur" (im Frühjahr), "Die Saison" (für die vegetarische Variante im Sommer), "Feuer & Rauch" (im Herbst). Und es versteht sich bei dieser Philosophie von selbst, dass ein geschlachtetes Tier "from nose to tail" verarbeitet wird. Das Rind steht ganzjährig im Freien auf der Weide und stirbt einen gnädigen Tod durch den gezielten Weideschuss. Das erklärt eine Fleischqualität, wie man sie selten erfahren darf. Fische und Meeresfrüchte liefert Karl Niehusen von "Hummer Pedersen" – wohl die beste Adresse, die man für derlei in Hamburg aufsuchen kann. Im Sommer gibt es ein rein vegetarisches Menü, dessen Zutaten von Gärtnereien und Bauern aus dem Hamburger Umland stammen, und das 100|200 dürfte das einzige Zwei-Sterne-Restaurant weit und breit sein, das alljährlich unter Beweis stellt, was eine fleisch- und fischlose Küche zu bieten vermag.

Jedes Menü beginnt an der Showbar mit einer Präsentation der Zutaten, die an diesem Mittag oder Abend verarbeitet wurden, zusammen mit einem Glas kalten Tomaten-Tee (eine Explosion von Tomatenaroma im Mund!) und einem raffinierten Appetithäppchen zur Einstimmung. Danach folgen fünf weitere Kleinigkeiten, um die Geschmacksknospen anzuregen: süß (geräucherte Zwiebel und Süßdolde), sauer (Sellerie und Rhabarber), salzig (Spitzkohl und Olive), bitter (Rettich und Kakaobohne) sowie umami (Deichkäseessenz und Sellerieöl). Schon das ist eine Sensation. 

Aber dann geht es erst richtig los mit dem Genuss – und ein Kunstwerk folgt auf das andere. Jede Komponente ist aufs Feinste mit den anderen abgestimmt, so dass sich im Mund – vor allem in Kombination mit den exquisiten Weinen – Erstaunliches und bislang nie Erlebtes ereignet, bis hin zum Dessert, das das Hamburger Franzbrötchen ganz neu als gedrehte Brioche mit einer Vanillesahne zum Niederknien präsentiert. 

Das ist aber nicht das Einzige, was das 100|200 so besonders macht. Es ist das Zusammenwirken der ausgesucht höflichen und kompetenten Service-Mitarbeiter mit den Köchen am Herd und den beiden Chefs. Da greift eines ins andere, lautlos und selbstverständlich, und wo Kommunikation nötig ist, erfolgt sie leise und wertschätzend. Schaut man dem Treiben zu, ergibt sich so eine nachgerade tänzerische Choreographie, begleitet von einer jeweils zur Saison neu zusammengestellten exquisiten Playlist, die für Fans bei Spotify auch zum Download bereitgestellt wird. Und so ist das 100|200 eben nicht nur ein Restaurant, sondern ein Gesamtkunstwerk, das Kopf, Herz und Bauch gleichermaßen erfreut. 

Wem ein ganzes Menü zuviel ist, kann den "Stundentisch" für vier Gänge aus dem Menü der Saison buchen und auf Barhockern an der Fensterfront auf den Hafen und den Himmel schauen. Oder sich unangemeldet auf der Empore niederlassen, eine Flasche exzellenten Schaumwein vom Weingut Ziereisen in Baden bestellen und à la carte speisen. Zum Beispiel die "Kanalarbeiterschnitte", bestehend aus rohem Rindfleisch, Kartoffelpuffer, Crème fraîche und Kaviar. Oder "Hummer Thermidor und Bisque": einen ganzen Helgoländer Hummer mit Spinat, Champignons de Paris, Artischocke, Sauce Hollandaise und 72 Monate altem Gouda. Oder einen "Topf voll Glück": Geschmortes Herz, Lunge und Zunge vom Rind mit altem Essig und Königin-Pastete. Die Preise sind dem Standard entsprechend gehoben, der Genuss aber jeden Euro und jeden Cent wert. 

 

100|200 Kitchen
Brandshofer Deich 68
20539 Hamburg 
www.100200.kitchen

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