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Anleitung zum guten Sterben

Für Angehörige, Pflegende und Hospizbegleiter

Co-Autorin: Dorothea Mihm 

Paperback
176 Seiten 
Goldmann Verlag, München 2015
12,99 Euro 
inklusive DVD (30 Minuten) mit einer Anleitung zur Basalen Stimulation in der Sterbebegleitung
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Zu diesem Buch

Menschen, die Sterbende begleiten, sind oft verunsichert und stehen vor vielen Fragen: Was nimmt der Sterbende noch wahr? Welche Pflege braucht er? Wie können Schmerzen gelindert werden? Die Palliativkrankenschwester Dorothea Mihm und ich haben nach unserem erfolgreichen Erstling „Die sieben Geheimnisse guten Sterbens“ diesen Leitfaden geschrieben. Ein Kapitel widmet sich eigens der Problematik der Sterbehilfe, ein weiteres gibt viele wichtige Tipps für das Aufsetzen einer Patientenverfügung.

Die beigelegte Anleitungs-DVD zeigt, wie Sterbende, die nicht mehr bei Bewusstsein sind, berührt werden sollten. Mit dieser „Basalen Stimulation“ können Angehörige und Freunde, Pflegende und Hospizhelfer mit einem Sterbenden auch dann noch kommunizieren, wenn dieser nicht mehr sprechen kann.

Anlässlich des Erscheinens des Buches führte Elke Kreil vom Goldmann-Verlag ein Interview mit Dorothea Mihm und mir: 

»Jeder Mensch hat eine eigene Auffassung, was "Würde" für ihn bedeutet«

"Anleitung zum guten Sterben" ist das zweite Buch, das Sie gemeinsam geschrieben haben. Wie schon in den erfolgreichen ersten Band, „Die sieben Geheimnisse guten Sterbens“, fließen auch hier ihre langjährigen Berufskompetenzen ein: Sie, Frau Bopp, sind eine anerkannte Medizinjournalistin und haben bereits mehr als 30 Bücher veröffentlicht, Sie, Frau Mihm, arbeiten seit über drei Jahrzehnten als Krankenschwester, davon fast zwanzig Jahre in der Palliativpflege. Worin unterscheidet sich Ihr neues Buch vom ersten Band?

Annette Bopp: Das vorige Buch orientierte sich ja an der Biographie von Dorothea und arbeitete dabei die sieben Geheimnisse guten Sterbens heraus, die sie im Laufe ihres Lebens als Erkenntnis gewonnen hatte und die auch ich aus meiner Erfahrung heraus bestätigen kann. Die „Anleitung zum guten Sterben“ ist ein reines Sachbuch, das wichtige Informationen gibt, worauf es in der Sterbebegleitung ankommt.

Dorothea Mihm: Hervorzuheben ist hier vor allem die Basale Stimulation, die vor allem bei denjenigen Sterbenden vorgenommen werden sollte, die sich nicht mehr bewegen können, jegliches Gefühl für ihren Körper verloren haben und auch schon zu schwach zum Sprechen sind. Sie befinden sich in einer sozialen Isolation, die als sehr schmerzlich empfun-den wird. Mit der Basalen Stimulation können wir sie wieder in ihrem Körper beheimaten und so empfänglich machen für alles, was mit ihnen geschieht – für die Körperpflege ebenso wie für Ansprache, Vorlesen, Musik und andere kommunikative Angebote.

Sie geben in Ihrem neuen Buch konkrete Hilfestellungen für den Umgang mit Sterbenden in allen wichtigen Bereichen: Information und Aufklärung, Organisation, Pflege, psychische Unter-stützung und spirituelle Begleitung. Wen möchten Sie mit Ihrem Buch ansprechen?

Dorothea Mihm: Im Grunde genommen jeden Menschen, denn wir alle kommen nicht umhin, uns mit dem Sterben auseinanderzusetzen. In jeder Familie ist der Tod irgendwann ein Thema. Aber natürlich haben vor allem diejenigen damit zu tun, die beruflich tagtäglich damit umgehen: Pflegende, Ärzte, Therapeuten, Psychologen, Hospizbegleiter, Seelsorger. Für sie ist das Buch – ebenso wie für Angehörige, die Sterbende zu Hause oder anderswo begleiten – eigentlich unverzichtbar.

Warum ist die Unsicherheit im Umgang mit Sterbenden so groß?

Annette Bopp: Weil Sterben und Tod bei uns immer noch so große Tabuthemen sind. Die meisten Menschen wissen kaum etwas darüber, was im Sterbeprozess mit einem Menschen passiert. Und Unwissenheit produziert Unsicherheit. Deshalb haben wir sowohl in den „Sieben Geheimnissen“ wie vor allem auch jetzt in der "Anleitung zum guten Sterben" kein Blatt vor den Mund genommen. Je offener über das Sterben gesprochen wird, desto mehr gehören Sterben und Tod zum Leben.

Dorothea Mihm: Viele Menschen glauben, dass Sterbende besser in Ruhe gelassen werden sollten. „Er liegt so ruhig da, lassen wir ihm seinen Frieden“ – das höre ich oft. In Wahrheit sind die Sterbenden aber alles andere als ruhig, innerlich sind sie sehr aufgewühlt, weil mit ihnen so viel Ungewohntes passiert. Einen Menschen in dieser Situation allein zu lassen, grenzt für mich schon an seelische Grausamkeit. Ein Sterbender braucht die Hilfe und liebevolle Unterstützung von anderen Menschen, die ihn in seiner Situation verstehen und angemessen begleiten. Darauf vor allem ist unser zweites Buch ausgerichtet.

Sie klären in Ihren Büchern über das auf, was beim Sterben passiert. Den eigentlichen Sterbe-vorgang bezeichnen Sie als „Grauzone“ zwischen Leben und Tod, in der Sterbende sich oft mit Worten nicht mehr ausdrücken können. Wie ist es Ihnen gelungen zu verstehen, was ein Mensch in dieser Übergangsphase erfährt?

Dorothea Mihm: Wir stützen uns vor allem auf die Angaben im Tibetischen Totenbuch, die mir durch Rückmeldungen von Sterbenden viele Male bestätigt wurden, jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt, solange ein Sterbender sich noch äußern kann, auch nonverbal. Außerdem habe ich inzwischen über 20 Jahre Erfahrung im Umgang mit Sterbenden – dabei konnte ich die Angaben oft durch eigene Anschauung bestätigen.

Die dem Buch beiliegende DVD vermittelt Grundkenntnisse der Basalen Stimulation. Können Sie umreißen, was man unter Basaler Stimulation versteht und was diese Methode leisten kann?

Dorothea Mihm: Die Basale Stimulation in der Sterbebegleitung basiert auf dem wissenschaftlichen Pflegekonzept der Basalen Stimulation. Man versucht, über die Stimulation der basalen Sinne – Körpersinn, Schwingungssinn, Gleichgewichtssinn – den Menschen wieder in seinem Körper zu beheimaten, ihm wieder ein Gefühl für seinen Körper zu vermitteln. Das ist durch die lange Bewegungslosigkeit ja meist völlig verlorengegangen.

Annette Bopp: Das Konzept der Basalen Stimulation ist leicht zu lernen, man braucht dafür keine Vorkenntnisse – nur ein offenes Herz und aufmerksame Zuwendung. Anhand der Angaben im Buch und der Anleitung auf der DVD ist es nicht schwer, sich das nötige Wissen anzueignen.

Sie widmen der Patientenverfügung in Ihrem Buch ein eigenes Kapitel, obgleich zu diesem Thema bereits zahlreiche Leitfäden vorliegen. Gibt es bei Patientenverfügungen wichtige Aspekte, die aus Ihrer Sicht bisher zu wenig berücksichtigt werden?

Annette Bopp: Ja, ich denke schon. Viele Menschen schreiben in einer Patientenverfügung Angaben fest, die oft erst viele Jahre oder gar Jahrzehnte später zum Tragen kommen. Womöglich haben sich die Bedürfnisse und Einstellungen zum Leben inzwischen geändert. Dann werden Menschen zu Gefangenen ihrer eigenen Verfügung. Wir wollten damit auf bestimmte Konfliktsituationen hinweisen und dazu ermutigen, eine möglichst auf die individuellen Lebensverhältnisse und -haltungen abgestimmte Verfügung aufzusetzen. Als Alternative bietet sich ansonsten auch eine Vorsorgevollmacht an.

Sie sind als Autorinnen bereits ein eingespieltes Team. Verlief Ihre Zusammenarbeit ähnlich wie beim ersten Band?

Dorothea Mihm: Ja, im Wesentlichen schon.

Annette Bopp: Wir haben gemeinsam die Inhalte festgelegt, Dorothea hat aus ihren Erfahrungen berichtet, ich habe das Ganze aufgeschrieben und daraus dann ein Buch gemacht.

Eines Ihrer zentralen Anliegen ist es, die Würde des Menschen bis zuletzt zu bewahren. Dies sei eine der wesentlichen Voraussetzungen für gutes Sterben, erläutern Sie in Ihrem Buch. Wie lässt sich der Begriff der Würde konkret fassen?

Dorothea Mihm: Jeder Mensch hat eine eigene Auffassung, was „Würde“ für ihn bedeutet. Viele Menschen verlangen ja nur deshalb nach Sterbehilfe, weil sie Angst haben, ihre Würde zu verlieren. Mit einer kompetenten Pflege, die den individuellen Bedürfnissen gerecht wird, kann man ihnen diese Angst nehmen. An dieser Pflege hapert es in Deutschland noch mächtig– nicht nur in Pflege-heimen, sondern ebenso in Krankenhäusern, auf Palliativstationen, bei ambulanten Pflegediensten und in Hospizen. Hier werden oft nur wenige examinierte Fachpflegende eingesetzt, dafür aber viele schnell angelernte Pflegehelfer. Da muss man sich dann nicht wundern, wenn die Würde des Menschen häufig verletzt wird.

Annette Bopp: Wir sollten uns klar machen, dass wir pflegebedürftig geboren werden und am Lebensende ebenfalls wieder pflegebedürftig werden. Das gehört zum Leben dazu und ist kein Grund zur Scham und auch keine Schande. In unserer Gesellschaft ist es aber üblich geworden, dass wir alles kontrollieren und beherrschen können. In der Geburtshilfe zeigt sich das an der drastischen Zunahme von Kaiserschnitten, beim Sterben am Verlangen nach ärztlich assistiertem Suizid. Man weiß aber, dass eine Geburt immer dann am wenigsten Komplikationen mit sich bringt, wenn eine Hebamme kontinuierlich bei der Gebärenden bleibt. Ebenso dürfte das Sterben leichter sein, wenn ein kompetenter Sterbebegleiter an der Seite des Sterbenden bleibt. Den Menschen dafür eine Anleitung zu bieten, ist ein wichtiges Anliegen unseres Buches.