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Der Tausendsassa unter den Brotbackbüchern

Lutz Geißler ist allen Hobbybäckern bestens bekannt: Er gilt als der "Brotpapst" schlechthin, sein "Plötzblog" gehört zu den ergiebigsten Quellen für Brotrezepte und überhaupt für Informationen rund um Brot und Brötchen aller Couleur. Vor kurzem hat Lutz, dessen Bücher allesamt Bestseller sind, nun ein geniales neues Werk publiziert: "Die neue Brotbackformel". Es ist eine Art Tausendsassa unter den Brotbackbüchern, denn es passt sich den jeweiligen Möglichkeiten auf ideale Weise an. Denn wer kennt sie nicht, die Situation, dass man mit Schrecken feststellt: Kein Brot mehr im Haus. Oder: Das, was noch da ist, ist verschimmelt. Für solche Fälle weiß Lutz Geißler Rat: Aus einem Grundteig - wahlweise mit hellem, dunklem Weizenmehl, Dinkel- oder Vollkornmehl angesetzt - lassen sich 50 verschiedene Brotsorten backen. Da ist wirklich für jede Gelegenheit etwas dabei – leicht und luftig oder kräftig-herzhaft, süß, neutral oder salzig. 

Da - ausnahmsweise - nicht mit Sauerteig gearbeitet wird (was sonst Lutz' Leidenschaft ist), eignet sich dieses Buch gerade für Neueinsteiger, die noch nicht viel Erfahrung mit dem Brotbacken haben. Mehl und Hefe (ob getrocknet oder frisch) sollte man ohnehin immer im Haus haben. Und selbst gebackenes Brot schmeckt einfach besser als das industriell hergestellte (Bäcker, die ihr Brot handwerklich sauber noch selbst backen, kann man in Deutschland ohnehin mit der Lupe suchen). 

Das Buch ist modular aufgebaut, so dass man auf der Basis eines Grundteiges je nach Lust und Laune und zeitlichen Möglichkeiten viele verschiedene Brote und Brötchen bis hin zu Süßigkeiten und Flammkuchen backen kann. Die Schritt-für-Schritt-Anleitungen mit vielen Fotos machen es auch Unkundigen einfach, ein gutes Ergebnis hinzubekommen. Schon beim Durchblättern bekommt man sofort Lust, eines der vielen Rezepte nachzubacken. Dieses Buch sollte in keiner Küche fehlen. 

Lutz Geißler: Die neue Brotbackformel
288 Seiten, Hardcover, 34 Euro
direkt bestellen beim Becker, Joest, Volk Verlag

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Wichtige Vorkämpferinnen

Wenn es um die Entstehungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland geht, werden meistens nur Männernamen genannt: Konrad Adenauer als erster Bundeskanzler, Theodor Heuss als erster Bundespräsident sowie die verschiedenen "Väter" des neugeschaffenen Grundgesetzes. Dass sowohl an dieser Gesetzgebung als auch bei der Entwicklung der Republik in hohem Maße auch Frauen beteiligt waren, wird nicht so oft ins Bewusstsein gerückt. Diese Lücke schließt jetzt ein Buch, das allerdings keine Frau, sondern ein Mann erstellt hat: "Die Pionierinnen" von Rainer Hank.

Der 1953 geborene Wirtschaftsjournalist, der von 2001 bis 2018 das Wirtschafts- und Finanzressort der FAZ geleitet hat und heute für verschiedene Medien tätig ist, widmet sich dabei vor allem den Journalistinnen, die in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg den Blick auf die Welt geprägt haben: die langjährige FAZ-Redakteurin Helene Rahms (1918 – 1999); Marion Gräfin Dönhoff (1909 – 2002), die legendäre Chefredakteurin und spätere Herausgeberin der ZEIT, die Rainer Hank mit kritischer Distanz beschreibt; Clara Menck (1901 – 1983), Kulturjournalistin; Margret Boveri (1900 – 1975), die als Korresponentin durch die Welt reiste und sich gegen die westliche Orientierung in Nachkriegsdeutschland stemmte; Hilde Spiel (1911 – 1990); Elisabeth Noelle-Neumann (1916 – 2010), die das bekannte Meinungsforschungsinstitut gründete und aufbaute; Inge Deutschkron (1922 – 2022), die als Jüdin in der Illegalität das 3. Reich überlebte und später Korrespondentin der israelischen Zeitung "Ma'ariv" war; Julia Dingwort-Nusseck (geb. 1921, zu ihr gibt es ein interessantes Portrait im WDR) und Fides Krause-Bewer (1919 – 2018), beide Pionierinnen des Wirtschaftsjournalismus im Fernsehen; Maria Frisé (1926 – 2022), die sich im männerdominierten Feuilleton der FAZ durchkämpfen musste und für den Autor seine "journalistische Lehrerin" war, sie war es, die den Anstoß zu diesem Buch gab; Sybil Gräfin Schönfeldt (1927 – 2022), die mit ihren klugen und geistreichen Benimm- und Kochbüchern sowie ihren Kalendern eine neue Qualität in die Frauenmagazine getragen hat, die ebenso leichtfüßig wie tiefgründig war (was nur ein scheinbarer Gegensatz ist); Christa Meves (geb. 1925), die wegen ihrer konservativen Kindererziehungsansichten oft als Reaktioinärin verpönte Autorin, die mit untrüglicher Sicherheit die Finger in viele Wunden legte; und natürlich Alice Schwarzer (geb. 1942), die Feministin, die die Frauenbewegung der 1970er und 80er Jahre angeschoben und geprägt hat. 

Viele andere bleiben unerwähnt - sowohl aus Platzgründen wie auch mangels Unterlagen: Ursula von Kardorff, Isabel Mühlfenzl, Franca Magnani, Wibke Bruhns, Carmen Thomas, Elly Staegmeyr, Hannelore Krollpfeiffer, Ulrike Meinhof, um nur einige zu nennen. Nur von wenigen der portraitierten Frauen liegen Biographien vor – viele sind noch ungeschrieben, und viele andere, genauso wichtige Journalistinnen und (Chef)Redakteurinnen blieben unerwähnt (darunter auch die ersten Chefinnen der Frauenzeitschriften "Constanze" und "Brigitte", die noch bis zu Beginn dieses Jahrhunderts mit ihren hohen Auflagen bei Frauen meinungsbildend waren). Hank widmet sich vor allem denjenigen, die die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt haben, mithin also zwischen 1900 und 1935 geboren wurden (nur Alice Schwarzer ist jünger). Er stützt sich dabei sowohl auf das Archiv der Publikationen, für die die Journalistinnen gearbeitet haben, als auch auf Unterlagen aus dem Literaturarchiv in Marbach sowie auf Gespräche mit Angehörigen. 

Es sind Lebensgeschichten von Frauen, die unzählige Widerstände überwinden und sich in für sie völlig ungewohnten Umständen bewähren mussten. Frauen, die – meist noch nach alter Sitte als schmückendes Beiwerk und Steigbügelhalterin für einen Mann erzogen – auf sich selbst und ihre eigene Tatkraft und Phantasie angewiesen waren. Die gegen Vorurteile ankämpfen und mindestens doppelt so gut sein mussten wie Männer, um überhaupt bestehen zu können. Die nicht Hausfrau und Mutter sein, sondern die Gesellschaft mit beeinflussen und formen wollten.

Ihr Anteil an der journalistischen Landschaft im Nachkriegsdeutschland ist kaum bekannt und wird auch an den Journalistenschulen – soweit ich weiß – nicht gelehrt. Dabei stehen wir alle, die wir in den 1980er Jahren und später unsere berufliche Karriere gestartet haben, auf den Schultern dieser Frauen. Es ist Rainer Hanks großes Verdienst, uns das mit diesem Buch endlich ins Bewusstsein gerückt zu haben. "Die Pionierinnen" ist ein Buch, das alle gelesen haben sollten, die im Journalismus heute tätig sind. Wirklich alle. Auch die Männer. Gerade diese. 

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Reise in die Vergangenheit

Immer wieder ist es die Generation der Enkelinnen und Enkel, die so manches Familiengeheimnis enthüllt. In diesem Fall ist es die niederländische Autorin Lisa Weeda, deren 94-jährige Großmutter Aleksandra sie auf die Reise zu ihrem Geburtsort schickt: nach Luhansk in der Ostukraine. Es ist eine Gegend, die schon seit vielen Jahrzehnten geprägt ist von Unruhen, Streit, Kämpfen und Konflikten verschiedenster Art. Lisa soll dort nach dem Verbleib ihres Onkels Kolja forschen, der seit 2015 verschollen ist. Und so entfaltet die junge Frau vor dem Hintergrund der gewalttätigen Historie dieses Landstrichs ein ganz eigenes Panorama ihrer Familie und damit gleichzeitig auch des Landes, in dem sie ihre Wurzeln hat. 

Natürlich gewinnt dieses Abenteuer angesichts des Krieges in der Ukraine eine besondere Aktualität und Dimension. Aber auch ohne dieses dramatische Geschehen wäre dieses Buch eine wichtige Lektüre – vor allem für die jüngere Generation. Denn Großmütter wie Aleksandra haben nur noch ganz wenige. Lisa Weeda gelingt es, ihrem Roman nicht zuletzt durch ihre Sprache (Übersetzung: Birgit Erdmann) eine sehr eigene Faszination einzuhauchen. Kein Wunder, dass das Buch bereits in viele andere Sprachen übersetzt wurde. 

Lisa Weeda: Aleksandra. Kanon Verlag, 288 Seiten, 25 Euro (auch als E-Book und Hörbuch erhältlich) 

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Sein bestes Interview

Es gibt wenige Bücher, die mich so fesseln, dass ich sie einen ganzen Sonntag lang nicht mehr aus der Hand lege. Dieses Buch von Arno Luik gehört dazu. Es sind Tagebuchaufzeichnungen, die eine Innen- und Außenschau zugleich sind. Eine Innenschau, weil Arno Luik uns hier ungeschminkt seine Gefühle angesichts der Krebsdiagnose zugänglich macht, die ihn im September 2022 nach einer Darmspiegelung ereilt hat und der Arzt ihm die niederschmetternde Mitteilung machte: „Setzen Sie sich, ich habe schlechte Nachrichten für Sie: Ich habe in Ihrem Darm einen ziemlich großen Tumor gefunden, ich konnte ihn nicht anheben, nicht entfernen, er ist wie eine Raupe in die Darmwand gewachsen. Ich lass das Gewebe noch analysieren, aber meine Erfahrung sagt mir: Es sieht ziemlich schlecht für Sie aus. Wenn Sie Glück haben, hat er noch nicht ausgestrahlt." Er schildert sein Ringen um den richtigen Weg, seine schlaflosen Nächte, das Entsetzen, die Ratlosigkeit – man kennt das so oder so ähnlich schon von anderen Autoren, und doch berührt es noch einmal ganz neu, wenn Arno Luik es erzählt. 

Und eine Außenschau ist es, weil er als Journalist natürlich nicht aus seiner Haut kann und neben dem inneren Befinden auch das Zeitgeschehen kommentiert. Und gerade da spricht er mir voll aus dem Herzen. Endlich nimmt mal jemand kein Blatt vor den Mund. Endlich sagt bzw. schreibt einer, was ist (Rudolf Augstein hat das mal seinem SPIEGEL ins Stammbuch geschrieben: "Sagen, was ist" – leider hält sich das Magazin schon lange nicht mehr so richtig an diese Leitlinie). Die Passagen, in denen sich Arno Luik über den politisch-moralischen Verfall der Grünen auslässt, sind beispielhaft ehrlich, gerade heraus und wahr. Und wie wunderbar, dass er angesichts des Militarismus, der sich derzeit – mit den Grünen als Vorreiterinnen und Vorreiter!! – in unserem Land breitmacht, an die großartige Philippika für den Frieden von Rolf Winter erinnert, die anlässlich des Balkankonflikts 1995 in der taz erschienen ist! Lange musste Arno, der damals der taz als Chefredakteur vorstand, dafür kämpfen, dass sie überhaupt abgedruckt werden konnte – ein Armutszeugnis für die taz, die seinerzeit ja durchaus noch recht diskussionsfreudig war. Die Auseinandersetzung um diesen Text, der dann nur mit einer Gegenposition von Thomas Schmid (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Autor der WELT) publiziert werden konnte, hat wesentlich mit dazu beigetragen, dass Luik der taz wenig später Adieu sagte. 

Aufgefallen ist er mir in den Jahren danach mit einer Reportage für das ZEIT-Magazin über die B1, die aus dem Westen Deutschlands in den Osten führt. Was für eine tolle Idee, gerade in den frühen Jahren nach der Wiedervereinigung diese Route abzufahren! Erzählen, das kann er, der Arno Luik. Er hat ein wunderbares Gefühl für Details und eine große Liebe zur Sprache (weshalb er nichts vom Sternchen- oder Doppelpunkt-Gendern hält). Am bekanntesten jedoch wurde er mit seinen Interviews, die er für den STERN führte. Legendär sein Dialog mit dem Wissenschaftler Erwin Chargaff kurz vor dessen Tod 2002, mit der damals bereits über 80-jährigen Schriftstellerin Angelika Schrobsdorff (1927-2016) im Jahr 2008, oder 2011 mit dem im Sterben liegenden Familientherapeuten und Pädagogen Wolfgang Bergmann. Arno Luik hat es dabei stets verstanden, seinen Gesprächspartnern Äußerungen zu entlocken, die sie sonst nicht so leicht preisgegeben hätten. Er kam ihnen nahe, ohne ihnen zu sehr auf die Pelle zu rücken – er hatte immer Respekt vor dem anderen, vor der Persönlichkeit seines Gegenübers. 

Ein besonderes Highlight war auch 2007 das Interview mit Hartmut Mehdorn, dem damaligen Bahnchef, der zu Luik sagte: "Ich würde Sie ja gerne hauen. Aber Schläge bringen nichts, Sie bleiben ja doch bei Ihrer Meinung." Blieb er tatsächlich. Und schrieb für den STERN ein flammendes und mit vielen bis dahin wenig bekannten Fakten gespicktes Plädoyer gegen den Wahnsinn von "Stuttgart 21". Leider hat das auch nicht bewirken können, dass dieses Projekt gestoppt wurde. Aber Luik legte nach und schrieb mit der ihm eigenen Akkuratesse 2019 gleich ein ganzes Buch, eine der wichtigsten und besten Analysen zu dem Desaster bei der Deutschen Bahn: "Schaden in der Oberleitung". Darin geht es um Lobbyismus und noch einmal um Stuttgart 21, um Hochgeschwindigkeitszüge und falsche Weichenstellungen, kurz, wie der Verlag schreibt, um "einen Staatskonzern, der außer Kontrolle geraten ist". Luiks Fazit: „Der Zustand der Deutschen Bahn ist kein Versehen. Es gibt Täter. Sie sitzen in der Bundesregierung, im Bundestag. Und seit Jahren im Tower der Deutschen Bahn." 

Allerdings gebe ich zu, dass ich mit den Interviews von Arno Luik manchmal auch gehadert habe. Da beschlich mich dann der Verdacht, dass da jemand einen Fragenkatalog abarbeitet, den er sich mit einer exorbitant aufwendigen Vorrecherche zurechtgelegt hat – für diese penible Vorarbeit war Luik bekannt. Wochenlang beschäftigte er sich eingehend mit demjenigen, dem er sich fragend nähern wollte – als freie Journalistin, bei der Zeit immer auch Geld ist, habe ich ihn darum oft beneidet ... Aber wie es dann eben so ist, bei einer derart umfassenden Vorarbeit kann die Spontaneität des Gesprächs eben auch mal auf der Strecke bleiben (zumindest für mein Gefühl) – oder sie fiel der redaktionellen Bearbeitung zum Opfer, wer weiß das schon. Viele wichtige Interviews hat Arno Luik inzwischen in einem eigenen Buch versammelt: "Als die Mauer fiel, war ich in der Sauna"– ein Zitat aus dem Gespräch mit Angela Merkel. Mein Respekt für sein Können ist jedoch immer geblieben. Auch weil er ein so aufrichtiger, meinungsstarker Kollege ist. Weil er – wie ich – aus Süddeutschland stammt, nur drei Jahre jünger ist als ich und diesen schwäbischen Schalk im Nacken hat, der immer wieder auch in seinen Gesprächen durchblitzt. 

Sein bestes Interview jedoch führt Arno Luik mit sich selbst. In diesem Buch, das den schönen Titel "Rauhnächte" trägt. Denn sie sind rauh und dunkel, diese Nächte, in denen er immer wieder aufwacht, wach liegt, Alpträume hat. Eine Serie von Bestrahlungen und auch die Chemotherapie hat er inzwischen hinter sich gebracht – zu letzterer schildert er im Buch nur die ersten Tage (die Einträge enden am 1. Januar 2023), gedauert hat sie – sofern er sie nicht abgebrochen hat – wohl bis in den März 2023, weshalb diese Erlebnisse nicht mehr im Buch gespiegelt werden. Und unverzüglich sehnt man sich danach, zu erfahren, wie es weitergegangen ist. Lieber Arno, bitte schreiben Sie weiter Tagebuch. Bitte kommentieren Sie auch fürderhin das Zeitgeschehen. Und bitte lassen Sie uns auf die Fortsetzung nicht zu lange warten.  

Arno Luik: Rauhnächte. Westend Verlag, 2023. Hardcover, 192 Seiten, 22 Euro

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Ein großer Journalist und Lebemann

Theo Sommer Zeit meines Lebens

Ted Sommer war mir schon in meinen frühen Jahren als Journalistin ein Begriff. Der große Chefredakteur der ZEIT, die mit ihren illustren Persönlichkeiten an der Spitze – Marion Gräfin Dönhoff, Gerd Bucerius, später Helmut Schmidt. Sommer pflegte einen so ganz eigenen Stil bei der journalistischen Arbeit, der mir von Anfang an imponierte. Meinungsstark. Diskussionsfreudig. Eloquent. Lebensfroh. Genussvoll. Als freie Journalistin, die nur unter anderem auch für DIE ZEIT arbeitete, bekam ich davon eher am Rande etwas mit – mein Ressort war die Medizin, nicht die Politik. Aber über Freundschaften mit ZEIT-Redakteurinnen und -Redakteuren war ich gewissermaßen Zaungast bei diesem Geschehen. Eine spannende Zeit. Weshalb ich besonders neugierig war auf Sommers Lebenserinnerungen. 

Kurz vor seinem Tod im August 2022 hat er – bereits 92-jährig – seine Erinnerungen noch vollenden können: „Zeit meines Lebens“ hat er sie genannt, in genau dieser spielerischen Mehrdeutigkeit, die auch viele seiner Texte auszeichnete. Er schildert darin seine Kindheit und Schulzeit im Nazi-Internat in Sonthofen – mit der nötigen kritischen Distanz, aber auch durchaus mit einem liebevollen und dankbaren Blick auf das, was gut war, dank besonderer Lehrer. Er erzählt von seinen späteren Lehr- und Wanderjahren in den USA, von den vielen verschiedenen glücklichen Zufällen, die ihm eine steile Karriere als Journalist ermöglichten. 

Das ist durchaus spannend zu lesen. Und doch hätte man sich noch ein paar tiefere Einblicke gewünscht in die redaktionellen Diskussionen und Gepflogenheiten in seiner Zeit als Chefredakteur, aber auch später als Herausgeber, die ja oft nicht unproblematisch war. Man wäre gerne ein bisschen eingetaucht in die Streitgespräche anlässlich der vielen, legendären Gelage in Hamburger italienischen Restaurants, bei denen Ted mit besonderer Trinkfestigkeit glänzte. Man hätte auch gerne noch mehr erfahren über Trennendes und Gemeinsames mit der Gräfin oder auch mit Bucerius und Helmut Schmidt als seinen (Co-)Herausgebern oder mit anderen Redaktionsmitgliedern von Rang und Namen. Schließlich war Ted Sommer der Chefredakteur, der die ZEIT inhaltlich mit am längsten geprägt hat: von 1973 bis 1992, danach als Herausgeber. Und er war auch innerhalb der Redaktion nicht unumstritten, wenngleich stets eine Respektsperson. 

So sind diese Erinnerungen eher ein Zeitzeugnis des politischen Journalisten, der dort so manchen Text, der auch in der ZEIT gestanden hat, zitiert und seinen Standpunkt vor allem zu Fragen der Landesverteidigung und Außenpolitik näher erläutert. Das ist auch aufschlussreich und interessant, aber den Mann und Menschen Theo Sommer, den hat er damit doch eher unter Verschluss gehalten. Schade eigentlich. 

Theo Sommer: Zeit meines Lebens. Erinnerungen eines Journalisten. Propyläen Verlag 2022, Hardcover, 512 Seiten, 32 Euro 

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