Annette Bopp Navigation
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Sie sind hier: FrolleinDoktor - das Blog

Anregende Lektüre ohne Risiken, aber mit Nebenwirkungen. Rezeptfrei in Ihrem Internet. Machense sich doch schon mal frei.

Das ist die Fortsetzung meines Blogs, das ich Anfang 2020 mit Beginn der Corona-Krise weitgehend eingestellt habe – vor allem aus technischen Gründen, die Software lief nicht mehr zuverlässig. Seit Frühjahr 2023 hat es seinen Schlaf endlich beendet und erwacht hier zu neuer Schönheit. Die einzelnen Rubriken sind noch nicht alle wieder befüllt, das wird sich aber mit der Zeit ändern. Kommentare sind auf dieser Seite nicht möglich – wer etwas anmerken will, schickt mir einfach eine E-Mail. Respektvolle Mails beantworte ich gerne – ich achte andere Meinungen und setze mich gern damit auseinander. Pöbelige Schmährufe wandern jedoch sofort in den Papierkorb. Der Name "FrolleinDoktor" ist ein satirisch gemeinter Spitzname und stellt keinen Doktortitel oder medizinischen Status dar. 

 

Nicht nur eine Reise wert

Ikaria - Blick vom Balkon
Der Blick vom Balkon unserer Wohnung – nirgendwo ist das Arbeiten schöner.
Sonnenuntergang auf Ikaria
Kitschig schön – der Sonnenuntergang.
Wilde Wellen
An windigen Tagen sind die Wellen so hoch, dass an ein Bad im Meer nicht zu denken ist.

Ikaria ist eine der griechischen Inseln, die noch nicht von Touristenmassen überlaufen ist – und das, obwohl sie direkt neben Mykonos gelegen ist, ein Stückchen weiter östlich. Zu diesem Sehnsuchtsort haben mich meine beiden Freunde gebracht: Holger Badekow, 42 Jahre lang Fotograf des Hamburg Balletts John Neumeier, und Victor Hughes, ehemaliger Tänzer und Ballettmeister in derselben Kompagnie. Beide fahren schon seit Jahrzehnten jeden Sommer für fünf bis sechs Wochen nach Ikaria. So lange halte ich es dort nicht aus – aber für knapp zwei Wochen komme ich gerne mit. Noch dazu, wenn ich etwas Arbeit mitnehmen kann und dort im Schatten großer, einzigartiger Nadelbäume beim Zirpen der Zikaden und dem beruhigenden Geräusch der anbrandenden Wellen Texte erarbeiten oder korrigieren kann. 

Schon beim Aussteigen aus dem Flugzeug umfängt einen der einzigartige Duft der Insel – eine Mischung aus wilden Kräutern, Blüten und Meer. Fast immer weht eine sanfte Brise, die durchaus auch im Juli mal so auffrischen kann, dass man sich ins Innere des Hauses verzieht. Der Tagesablauf ist typisch mediterran: das Frühstück auf dem Balkon ist obligatorisch, das Bad im Meer ebenso, die Mittagshitze wird mit einer ausgedehnten Siesta ignoriert, der Nachmittag gehört wiederum dem Schwimmen oder dem Lesen, und ab 18 Uhr spätestens findet man sich auf dem Balkon zum Sundowner ein. Erst danach gibt es Abendessen – gerne in einem der kleinen, familienbetriebenen Restaurants in der Nähe. 

Es gibt eine Reihe von erschwinglichen Hotels, alle mit Blick aufs Meer oder auch Ferienhäuser und -wohnungen. Möge es noch lange so bleiben. 

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Ein großer Journalist und Lebemann

Theo Sommer Zeit meines Lebens

Ted Sommer war mir schon in meinen frühen Jahren als Journalistin ein Begriff. Der große Chefredakteur der ZEIT, die mit ihren illustren Persönlichkeiten an der Spitze – Marion Gräfin Dönhoff, Gerd Bucerius, später Helmut Schmidt. Sommer pflegte einen so ganz eigenen Stil bei der journalistischen Arbeit, der mir von Anfang an imponierte. Meinungsstark. Diskussionsfreudig. Eloquent. Lebensfroh. Genussvoll. Als freie Journalistin, die nur unter anderem auch für DIE ZEIT arbeitete, bekam ich davon eher am Rande etwas mit – mein Ressort war die Medizin, nicht die Politik. Aber über Freundschaften mit ZEIT-Redakteurinnen und -Redakteuren war ich gewissermaßen Zaungast bei diesem Geschehen. Eine spannende Zeit. Weshalb ich besonders neugierig war auf Sommers Lebenserinnerungen. 

Kurz vor seinem Tod im August 2022 hat er – bereits 92-jährig – seine Erinnerungen noch vollenden können: „Zeit meines Lebens“ hat er sie genannt, in genau dieser spielerischen Mehrdeutigkeit, die auch viele seiner Texte auszeichnete. Er schildert darin seine Kindheit und Schulzeit im Nazi-Internat in Sonthofen – mit der nötigen kritischen Distanz, aber auch durchaus mit einem liebevollen und dankbaren Blick auf das, was gut war, dank besonderer Lehrer. Er erzählt von seinen späteren Lehr- und Wanderjahren in den USA, von den vielen verschiedenen glücklichen Zufällen, die ihm eine steile Karriere als Journalist ermöglichten. 

Das ist durchaus spannend zu lesen. Und doch hätte man sich noch ein paar tiefere Einblicke gewünscht in die redaktionellen Diskussionen und Gepflogenheiten in seiner Zeit als Chefredakteur, aber auch später als Herausgeber, die ja oft nicht unproblematisch war. Man wäre gerne ein bisschen eingetaucht in die Streitgespräche anlässlich der vielen, legendären Gelage in Hamburger italienischen Restaurants, bei denen Ted mit besonderer Trinkfestigkeit glänzte. Man hätte auch gerne noch mehr erfahren über Trennendes und Gemeinsames mit der Gräfin oder auch mit Bucerius und Helmut Schmidt als seinen (Co-)Herausgebern oder mit anderen Redaktionsmitgliedern von Rang und Namen. Schließlich war Ted Sommer der Chefredakteur, der die ZEIT inhaltlich mit am längsten geprägt hat: von 1973 bis 1992, danach als Herausgeber. Und er war auch innerhalb der Redaktion nicht unumstritten, wenngleich stets eine Respektsperson. 

So sind diese Erinnerungen eher ein Zeitzeugnis des politischen Journalisten, der dort so manchen Text, der auch in der ZEIT gestanden hat, zitiert und seinen Standpunkt vor allem zu Fragen der Landesverteidigung und Außenpolitik näher erläutert. Das ist auch aufschlussreich und interessant, aber den Mann und Menschen Theo Sommer, den hat er damit doch eher unter Verschluss gehalten. Schade eigentlich. 

Theo Sommer: Zeit meines Lebens. Erinnerungen eines Journalisten. Propyläen Verlag 2022, Hardcover, 512 Seiten, 32 Euro 

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Spannend bis zur letzten Zeile

Cover Das Unrecht

Die Autorin Ellen Sandberg alias Inge Löhnig ist bekannt für ihre zeitkritischen Recherchen und die daraus entstehenden Romane. 2022 ist wieder einer davon erschienen: „Das Unrecht“ erzählt die Geschichte der aus der DDR stammenden Annett, die beim Versuch der Republikflucht über die Ostsee 1988 zusammen mit ihrem Freund Mischa erwischt wird. Im Rückblick erzählt Ellen Sandberg Annetts Geschichte aus heutiger Sicht. Sie zeichnet das Bild einer Frau, die immer noch gefangen ist in der Vergangenheit und den Rätseln, die sich mit dem Verrat der Flucht verbinden. Wer war es, der die beiden damals an die Stasi verpfiffen hat? Wer hat den Tod von Mischa auf dem Gewissen? Die Fragen danach treiben Annett an den Ort des Geschehens zurück, an die Küste von Wismar. 

Ellen Sandberg verwebt die Suche Annetts mit ihrer Befreiung aus der Ehe mit Volker, einem weiteren Gefährten aus der alten Zeit, der ihr nach dem Tod Mischas Halt gab und mit dem sie in Bamberg eine Familie gründete. Seine Herrschsucht und seine Dominanz engen sie mehr und mehr ein, und so macht sie sich auf den Weg, nicht nur die Geheimnisse der Vergangenheit zu lüften, sondern auch, um sich selbst zu finden. 
Der Autorin ist hier ein ungemein spannender Roman gelungen, weitab von jedem Klischee. Sprachlich wie immer geschliffen und fein durchdacht, zeichnet sie die Charaktere mit großem Einfühlungsvermögen und feinem Esprit. Es ist ein Roman, der noch lange nachklingt, vor allem wegen des unerwarteten, dramatischen Schlussakkords. 

Ellen Sandberg: Das Unrecht. Hardcover, Penguin Verlag, 416 Seiten, 22 Euro 

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Weniger ein Phänomen als eine Persönlichkeit

Markus Lanz war für mich lange Jahre der Inbegriff eines glatten Schönlings. Niemand, der besonders interessant gewesen wäre. Erst im Lauf der Corona-Krise habe ich ihn anders kennen- und vor allem schätzen gelernt. Kaum einer hat in den Jahren 2020 und 2021 so kontroverse Diskussionen geführt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Und auch wenn er Karl Lauterbach nach meinem Gefühl viel zu oft auf seinen Studio-Stuhl gesetzt hat, so war doch bemerkenswert, dass er auch kritischeren Stimmen Raum gab. Allerdings gab es auch da eine Unwucht: Einer Vertreterin/einem Vertreter einer bestimmten kontroversen Position stellte er gern zwei bis drei andere gegenüber, die dann insgesamt natürlich mehr Redezeit hatten und entsprechend in der Übermacht waren. Und wenn er selbst noch von seiner Moderatorenrolle abwich und sich meinungsstark mit einmischte, war das Verhältnis noch einseitiger. So geschehen nicht nur im Rahmen der Corona-Krise, sondern ebenso beim Krieg gegen die Ukraine oder anderen Streitfragen. Aber nichtsdestotrotz kamen bei ihm Menschen zu Wort, die wider den Stachel löckten. Das machte seine Sendung spannend und verhalf ihr zu der Quote, die sie bis heute halten oder auch noch übertreffen kann. 

Kein Wunder, dass es den Chefredakteur des „Hamburger Abendblatts“, Lars Haider, reizte, sich mit der Person Markus Lanz näher zu befassen. Der machte es ihm nicht leicht und verweigerte die Mitarbeit an dem geplanten Buch. Aber Haider ließ sich davon nicht abhalten. Er beobachtete einfach die Lanz-Talkshows über ein ganzes Jahr hinweg. Er analysierte, recherchierte und sprach mit Weggenossinnen und -genossen. Daraus wurde das Buch „Das Phänomen Markus Lanz“. Treffender Untertitel: „Auf jede Antwort eine Frage.“ Denn Lanz ist berühmt und berüchtigt dafür, dass er seinen Gesprächspartnern ins Wort fällt, wenn sie seine Fragen mit Worthülsen und Floskeln beantworten. Dank einer offenbar gut sortierten Redaktion ist er extrem gut vorbereitet, wenn es um Zitate und Fakten geht. Man kann ihm da so leicht nichts vormachen. 

Das Buch zeigt auf, woher Markus Lanz – geb. 1969 in Bruneck in Südtirol –  kommt und wie er das geworden ist, was er heute ist. Aus kleinen Verhältnissen stammend arbeitete er sich mit viel Energie, Begeisterung und Fleiß bis zu seiner eigenen Sendung beim ZDF empor. Zuerst bei Radio Hamburg, später dann beim ZDF. Dort allerdings legte er erstmal eine gewaltige Bauchlandung hin: seine Moderation von „Wetten, dass …“ in den Jahren 2012 bis 2014 als Nachfolger von Thomas Gottschalk scheiterte grandios. Aufgeben und wegducken kam für Lanz trotzdem nicht in Frage. Und so entwickelte er die nach ihm benannte Talkshow, die schon seit 2008 dienstags, mittwochs und donnerstags läuft (meist zu später Stunde), stetig weiter. Aus einer eher seichten Wundertüte wurde DIE politsche Talkshow im deutschen Fernsehen schlechthin. Ferien macht er selten. Er ist eigentlich immer im Dienst. Für seine zusätzlichen Fernsehreportagen geht er dorthin, wo sich nur wenige Reporter tummeln und zeichnet selten ehrliche Portraits fremder Länder – der USA beispielsweise oder Russlands. Er stellt Fragen, wo andere schon längst kapituliert haben. Er sucht Antworten, auch wenn er sie nicht immer findet. 

Das Buch bringt den Menschen Markus Lanz, der sein Privatleben strikt abschottet, seinem Publikum etwas näher. Bekannt ist, dass er schon früh mit einer deutlich älteren Frau – Birgit Schrowange – liiert war und mit ihr einen Sohn bekam. Bekannt ist auch, dass er in zweiter Ehe mit Angela Gessmann verheiratet ist (allerdings seit kurzem von ihr getrennt lebt) und Vater zweier Töchter wurde. Bekannt ist auch, dass er in Hamburg lebt, aber die Sehnsucht nach den Südtiroler Bergen im Herzen trägt. Man weiß, dass er ein leidenschaftlicher – und exzellenter – Fotograf ist, der sich gerne in Eis und Schnee aufhält, dort, wo es kalt und einsam ist. 

Lars Haider ist hier ein spannendes Portrait gelungen von einem nicht minder spannenden Menschen, dem man selbst gerne noch viele Fragen stellen und ihn näher kennenlernen würde. Wie das eben so ist mit spannenden Persönlichkeiten. Das deutsche Fernsehen hat davon viel zu wenige. 

Lars Haider: Das Phänomen Markus Lanz. Auf jede Antwort eine Frage. Klartext Verlag, Hardcover, 320 Seiten, 25 Euro 

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