Markus Lanz war für mich lange Jahre der Inbegriff eines glatten Schönlings. Niemand, der besonders interessant gewesen wäre. Erst im Lauf der Corona-Krise habe ich ihn anders kennen- und vor allem schätzen gelernt. Kaum einer hat in den Jahren 2020 und 2021 so kontroverse Diskussionen geführt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Und auch wenn er Karl Lauterbach nach meinem Gefühl viel zu oft auf seinen Studio-Stuhl gesetzt hat, so war doch bemerkenswert, dass er auch kritischeren Stimmen Raum gab. Allerdings gab es auch da eine Unwucht: Einer Vertreterin/einem Vertreter einer bestimmten kontroversen Position stellte er gern zwei bis drei andere gegenüber, die dann insgesamt natürlich mehr Redezeit hatten und entsprechend in der Übermacht waren. Und wenn er selbst noch von seiner Moderatorenrolle abwich und sich meinungsstark mit einmischte, war das Verhältnis noch einseitiger. So geschehen nicht nur im Rahmen der Corona-Krise, sondern ebenso beim Krieg gegen die Ukraine oder anderen Streitfragen. Aber nichtsdestotrotz kamen bei ihm Menschen zu Wort, die wider den Stachel löckten. Das machte seine Sendung spannend und verhalf ihr zu der Quote, die sie bis heute halten oder auch noch übertreffen kann.
Kein Wunder, dass es den Chefredakteur des „Hamburger Abendblatts“, Lars Haider, reizte, sich mit der Person Markus Lanz näher zu befassen. Der machte es ihm nicht leicht und verweigerte die Mitarbeit an dem geplanten Buch. Aber Haider ließ sich davon nicht abhalten. Er beobachtete einfach die Lanz-Talkshows über ein ganzes Jahr hinweg. Er analysierte, recherchierte und sprach mit Weggenossinnen und -genossen. Daraus wurde das Buch „Das Phänomen Markus Lanz“. Treffender Untertitel: „Auf jede Antwort eine Frage.“ Denn Lanz ist berühmt und berüchtigt dafür, dass er seinen Gesprächspartnern ins Wort fällt, wenn sie seine Fragen mit Worthülsen und Floskeln beantworten. Dank einer offenbar gut sortierten Redaktion ist er extrem gut vorbereitet, wenn es um Zitate und Fakten geht. Man kann ihm da so leicht nichts vormachen.
Das Buch zeigt auf, woher Markus Lanz – geb. 1969 in Bruneck in Südtirol – kommt und wie er das geworden ist, was er heute ist. Aus kleinen Verhältnissen stammend arbeitete er sich mit viel Energie, Begeisterung und Fleiß bis zu seiner eigenen Sendung beim ZDF empor. Zuerst bei Radio Hamburg, später dann beim ZDF. Dort allerdings legte er erstmal eine gewaltige Bauchlandung hin: seine Moderation von „Wetten, dass …“ in den Jahren 2012 bis 2014 als Nachfolger von Thomas Gottschalk scheiterte grandios. Aufgeben und wegducken kam für Lanz trotzdem nicht in Frage. Und so entwickelte er die nach ihm benannte Talkshow, die schon seit 2008 dienstags, mittwochs und donnerstags läuft (meist zu später Stunde), stetig weiter. Aus einer eher seichten Wundertüte wurde DIE politsche Talkshow im deutschen Fernsehen schlechthin. Ferien macht er selten. Er ist eigentlich immer im Dienst. Für seine zusätzlichen Fernsehreportagen geht er dorthin, wo sich nur wenige Reporter tummeln und zeichnet selten ehrliche Portraits fremder Länder – der USA beispielsweise oder Russlands. Er stellt Fragen, wo andere schon längst kapituliert haben. Er sucht Antworten, auch wenn er sie nicht immer findet.
Das Buch bringt den Menschen Markus Lanz, der sein Privatleben strikt abschottet, seinem Publikum etwas näher. Bekannt ist, dass er schon früh mit einer deutlich älteren Frau – Birgit Schrowange – liiert war und mit ihr einen Sohn bekam. Bekannt ist auch, dass er in zweiter Ehe mit Angela Gessmann verheiratet ist (allerdings seit kurzem von ihr getrennt lebt) und Vater zweier Töchter wurde. Bekannt ist auch, dass er in Hamburg lebt, aber die Sehnsucht nach den Südtiroler Bergen im Herzen trägt. Man weiß, dass er ein leidenschaftlicher – und exzellenter – Fotograf ist, der sich gerne in Eis und Schnee aufhält, dort, wo es kalt und einsam ist.
Lars Haider ist hier ein spannendes Portrait gelungen von einem nicht minder spannenden Menschen, dem man selbst gerne noch viele Fragen stellen und ihn näher kennenlernen würde. Wie das eben so ist mit spannenden Persönlichkeiten. Das deutsche Fernsehen hat davon viel zu wenige.
Lars Haider: Das Phänomen Markus Lanz. Auf jede Antwort eine Frage. Klartext Verlag, Hardcover, 320 Seiten, 25 Euro